Technical Masterclass bei La Marzocco – Teil 2

Nachdem Andreas bereits im April zur Technical Masterclass KB90 nach Scarperia fuhr, hatte ich diesmal das Glück, für Ende Juni einen Platz bei einer der letzten KB90-Classes zu bekommen.

Im Gegensatz zum normalen Training die geht es bei der Masterclass wesentlich mehr ins Detail. Obwohl ich eigentlich nicht der Schrauber bei uns bin, bin ich mir ziemlich sicher, dass gute technische Kenntnisse auch im Verkauf nicht schaden. Und je besser ich eine Maschine kenne, um so mehr kann ich dies bei der Beratung auch vermitteln und detailliert auf entsprechenden Fragen eingehen.

Außerdem freute ich mich natürlich auf ein paar zusätzliche Tage toskanischen Sommer, ohne allerdings zu wissen, dass es zum einen dort bis zu 42° C heiß wurde, aber auch bei uns kaum kälter war. Dazu kommt, dass ein Besuch in Scarperia bei La Marzocco sich immer wieder anfühlt, als wenn man zur Familie zurück kommt. Die Gastfreundschaft ist einfach wunderbar.

Wie zuvor schon geschrieben, war das Hauptobjekt unserer Beschäftigung die neue KB90.

Insbesondere das revolutionäre Straight-in-System, bei dem der Siebträger ohne drehen angebracht wird, sowie die Komponenten für das automatische Spülen mit Dampf und Wasser nach dem Bezug sollten natürlich eingehend betrachtet werden – und wenn der Schrauber betrachten sagt, dann meint er natürlich auseinander- und wieder zusammenbauen, das ist klar.

Factory Tour

Wie immer gab es zu Beginn eine Werksführung. Nicht, dass wir nicht schon öfter bei La Marzocco gewesen wären, aber es gibt immer neue Sachen bei der Führung zu entdecken.

Die Tour beginnt im kleinen Museum, indem Maschinen der vergangenen neun Jahrzehnte ausgestellt sind. La Marzocco ist stolz auf seine Tradition und zeigt dies auch zurecht.

In der Produktion gab es eine neue Station, bei der alle Manometer nochmals auf Herz und Nieren getestet werden. Sie werden dabei auf Dichtigkeit und Korrektheit der angezeigten Werte überprüft.

Mittlerweile wird auch ein großer Teil der Kessel direkt in der Firma geschweißt. Insbesondere die KB90-Kessel werden im Haus gefertigt.

Auch in der Fertigung herrscht hohe Präzision und Konzentration.

In 2018 fand eine große Umorganisation der Produktion statt. Vorher über zwei Stockwerke verteilt, wurde ein großer heller Raum geschaffen, in dem die komplette Montage der Bar- und Homemaschinen erfolgt.

Für jeden Interessierten ist es toll zu sehen, wie aus ein paar Einzelteile eine komplette Maschine wird. Man kann den Weg von den Komponenten bis zur fertigen Maschinen in der Produktion einfach selbst nachverfolgen.
Dabei sieht man auch, dass die Produktionsschritte sich bei den Bar- und Homemaschinen im wesentlichen nicht unterscheiden, auch nicht die Qualität der eingesetzten Materialien und Bauteile. Für den Laien ist es z.B. schwer zu unterscheiden, ob ein Brühboiler letztendlich in einer GS3 oder in einer Linea PBX landet.

Training

Das eigentliche Training bestand aus einer theoretischen Einführung und Vorstellung der neuen Features, bevor es dann im „Hands-on“-Teil tatsächlich an die Maschine ging. Danke vor allem an unsere „Trainer“ Ettore, Francesco und Andrea für die fundierte Einweisung.

Im Wesentlichen handelt es sich bei der KB90 um eine neue Maschine der Linea PB-Familie mit dem sog. Straight-in-Siebträgerhalter und der neuen Funktion Drip-Prediction für den Fall, dass die Maschine mit Waagen (Autobrewratio-Funktion) ausgestattet ist. Problem bei einer Dosierung nach dem Gewicht des Getränkes ist ja, dass nach dem Abschalten der Pumpe noch Tropfen aus dem Kaffeepuck in die Tasse gelangen und damit die Messung unpräzise wird. Mit der Drip-Prediction errechnet die Maschine schon während des Bezuges die nachtropfende Wassermenge und schaltet den Bezug entsprechend früher ab. Das System ist selbstlernend und soll so zu immer genaueren Bezügen führen.

Das eigentliche Highlight ist aber das Straight-in-System, bei dem der Barista den Siebträger einfach von vorne in die Brühgruppe einschiebt und nach oben hin einrastet. Der Siebträger wird von 2 massiven Backen aus Messing in der Position gehalten.

Zum Lösen des Siebträgers wird einfach mit dem Daumen der schwarze Knopf betätigt. Der Siebträger kann dann nach vorne herausgenommen werden und die Spülprozedur beginnt. Ist der Siebträger nach dem Einrasten noch relativ locker in der Halterung, so wird er bei Beginn des Bezugs durch den herunterfahrenden Kolben mit der Siebträgerdichtung fixiert und abgedichtet. Für die Bewegung des Kolbens wird dabei einfach der Druck der Pumpe verwendet. Durch eine raffinierte Ventilsteuerung wird der Wasserstrom vor dem eigentlichen Kaffeebezug auf den Kolben umgeleitet.

Da im Rahmen einer Wartung der Maschine auch die Dichtungen des Kolbens überprüft und gegebenenfalls gewechselt werden müssen, haben wir diese Arbeiten ebenfalls unter Anleitung durchgeführt.

Dabei musste ich wieder mal feststellen, dass „selbst machen“ etwas ganz anderes ist als „zusehen“. Trotz Verwendung der richtigen Tools …

…dauerte es etwas, bis es dann endlich „klick“ gemacht hat – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber es fühlt sich schon super an, wie die massiven Edelstahlteile mit einem satten Klick in der richtigen Postition einrasten.

Die folgenden Bilder zeigen nochmal den Weg vom Gruppenkörper bis hin zur fast fertigen Brühgruppe. Fast alle Bauteile sind aus Edelstahl gefertigt, es ist beinahe schade, dass man dieses Schmuckstück in der fertigen Maschine gar nicht sieht.

Insgesamt wieder ein sehr interessantes Training mit Kollegen aus Rumäninen und Zypern, ich freue mich schon auf´s nächste Mal.

Rainer

Zurück